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H.B.

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Tierversuche und das Klagerecht für Tierschutzvereine

“ Verbandsklage im Tierschutz” - ein Thema, so abstrakt und spröde, dass es wohl eher bei Juristen als bei “normalen” Tierfreunden auf Interesse stoßen wird. Dennoch: Die Frage, wer im Tierschutz klagen darf, ist für das Schicksal unzähliger Tiere von geradezu existenzieller Bedeutung. Es geht darum, ob Tieren - trotz Tierschutzgesetz - auch weiterhin Leid und furchtbare Qualen zugefügt werden können, und die Tierschutzvereine das mehr oder weniger ohnmächtig hinnehmen müssen. Hierzu zwei aktuelle Beispiele:

Wie das Magazin “Freiheit für Tiere” ( Nr. 1/2004) berichtete, wurde die Klage einer hessischen Universität gegen das Regierungspräsidium Gießen auf Durchführung von Tierversuchen vom zuständigen Verwaltungsgericht abge- wiesen. Dieses für den Tierschutz sehr erfreuliche Urteil wurde nur möglich, weil der Tierschutz seit August 2002 als Staatsziel im Grundgesetz verankert ist, und die Behörde die Genehmigung der beantragten Tierversuche verweigert hatte. Leider verhalten sich die Behörden bei der Genehmigung von Tierversuchen sehr unterschiedlich. Es ist keineswegs selbstverständlich, dass die Genehmi- gungsbehörden ihren Ermessensspielraum stets im Sinne des Tierschutzes nutzen, wie offensichtlich das folgende Beispiel zeigt:

So meldete “Der Tagesspiegel” am 18.12.2003, daß 2002 in Berlin mehr als 220000 Tiere (!) bei Forschungsvorhaben getötet wurden. Damit sei die Zahl der getöteten Tiere im Vergleich zum Vorjahr um rund 5000 gestiegen. Insge- samt habe es 819 Tierversuchsvorhaben gegeben, wobei alle Anträge auf Tier- versuche genehmigt worden seien. Andererseits gibt es in Berlin den größten deutschen Tierschutzverein ( mit m. W. etwa 20000 Mitgliedern) und die eben- falls mitgliederstarken “Tierversuchsgegner Berlin-Brandenburg”. Hieran zeigt sich, daß diese Tierschutzverbände trotz ihrer großen Mitgliederzahl den Tier- experimentatoren und den die Tierversuche fördernden Behörden fast machtlos gegenüberstehen. Warum? Die Antwort ist einfach: Sie haben kein Klagerecht.

Lehnt eine Behörde die Genehmigung für eine Massentierhaltungsanlage oder - wie im obigen Beispiel - für Tierversuche wegen Tierquälerei ab, so kann der Massentierhalter oder der Tierexperimentator dagegen klagen. Genehmigt jedoch die Behörde das tierquälerische Vorhaben, so haben auf der anderen Seite die Tierschutzverbände kein solches Klagerecht. Um aufwändige Gerichts- verfahren und mögliche Schadensersatzansprüche zu vermeiden, wird die Behörde  geneigt sein, Bedenken wegen Tierquälerei zurückzustellen und entsprechende Genehmigungen zu erteilen. Außer - in juristischer Hinsicht irrelevanten Protesten - hat die Genehmigungsbehörde von Tierschutzvereinen nichts zu befürchten.

Die Folgen dieser rechtlichen Schieflage sind für die Tiere verhängnisvoll: Ihre Qualen und Leiden gehen trotz Grundgesetzänderung weiter. Damit Massentierhaltung und Tierversuche auch künftig nicht behindert werden, wird von Seiten der Tiernutzer und ihrer politischen Helfer alles getan, um das Klage- recht für Tierschutzverbände zu verhindern. In seiner Antwort auf einen Offenen Brief von Jürgen Gerlach (Bundesvorsitzender der Tierschutzpartei) wies Eisenhart von Loeper (Rechtsanwalt und 1. Vorsitzender des Bundesverbandes der Tierversuchsgegner) darauf hin, dass die Verbandsklage nicht im Koalitions- vertrag zwischen der SPD und den Grünen enthalten sei, “was offenbar auf die SPD zurückgeht” (veröffentlicht auf der Internet-Seite der Tierschutzpartei). So trägt auch die genannte große Volkspartei mit dazu bei, daß nach der Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel in das Grundgesetz Tierversuchslabors und Massentierhaltungsanlagen fast ungestört weiterbe- trieben werden können.

Das fehlende Verbandsklagerecht im Tierschutz zeigt deutlich, welchen Stellenwert der Tierschutz in unserer Gesellschaft einnimmt und wie weit wir von Tierrechten noch entfernt sind. Daher können die Tierschutzverbände nur karitativ tätig, aber nicht wirklich Anwalt für die Tiere sein. Wo kein Kläger, da kein Richter - ist eine für den Tierschutz bittere Wahrheit. An der Rechtslage können die Tierschutzvereine selbst nichts ändern, denn dazu sind allein die politischen Parteien berufen. Eine dieser Parteien ist die Tierschutzpartei, für die im Gegensatz zu allen anderen Parteien Tierschutz und Tierrechte zentrale politi- sche Anliegen sind. Die Tierschutzpartei ist eine Chance nicht nur das Ver- bandsklagerecht für den Tierschutz zu erreichen, sondern darüber hinaus auch Tierrechten zum Durchbruch zu verhelfen. Es liegt nun an den Tierschützern, diese Chance für die Tiere zu nutzen.   

                                                                                   Herbert Becker.